1880, Verlag von Friedrich Andreas Perthes, Gotha
Illustriert von Tomi Ungerer
jh:
Diogenes Verlag, Zürich 1978
…
»Dann«, fuhr si weiter, »muß ich dir hauptsächlich bemerken, daß du am Tisch nicht mit Sebastian zu sprechen hast, auch sonst nur dann, wenn du einen Auftrag oder eine notwendige Frage an ihn zu richten hast; dann aber nennst du ihn nie mehr anders, als Sie oder Er, hörst du? daß ich dich niemals mehr ihn anders nennen höre. Auch Tinnete nennst du Sie, Jungfer Tinette. Mich nennst du so, wie du mich von allen nennen hörst; wie Klara nennen sollst, wird sie selbst bestimmen.«
…
Heidi stand mitten in der Herrlichkeit, und vor Freude und Wonne liefen ihm die hellen Trännen die Wangen herunter, und es mußte die Hände falten und in den Himmel hinaufschauen und ganz laut dem lieben Gott danken, daß er es wieder heimgebracht hatte, und daß alles, alles noch so schön sei und noch viel schöner, als es gewußt hatte, und daß alles wieder ihm gehöre; und Heidi was so glücklich und so reich in all der großen Herrlichkeit, daß es gar nicht Worte fand, dem lieben Gott zu danken. Erst als das Licht ringsum verglühte, konnte Heidi wieder von der Stelle weg; nun rannte es aber so den Berg hinan, daß es gar nicht lange dauerte, so erblickte es oben die Tannenwipfel über dem Dache und jetzt das Dach und die ganze Hütte, und auf der Bank an der Hütte saß der Großvatter und rauchte sein Pfeifchen, und über die Hütte her wogten die alten Tannenwipfel und rauschten im Abendwind. Jetzt rannte das Heidi noch mehr, und bevor der Alm-Öhi nur recht sehen konte, was da herankam, stürzte das Kind shon auf ihn, warf seinen Korb auf den Boden und umklammerte den Alten, und vor Aufregung des Wiedersehens konnte es nichts sagen, als nur immer ausrufen: »Großvater! Großvater! Großvater!«
…